Harzer Roller

Immer eine gute Idee. Niedersachsen.

So selbstbewusst und herzlich werden wir von einem Schild an der Autobahn auf unserem Weg nach Göttingen begrüsst – und am Ende behielt das Schild Recht. Es war eine gute Idee, hierher zu kommen, denn so schöne und unterschiedliche Felsen auf kleinem Raum hatten wir lange nicht mehr. Doch der Reihe nach: für das Geburtstagswochenende von Nicky hatten wir schon vor einiger Zeit mit Opa Olaf abgemacht, aber der genaue Ort war noch offen. Nicht zu weit weg von Berlin sollte es sein, damit Olaf einfach mit der Bahn anreisen kann. Schon lange wollte Nicky mal die Buntsandsteinklettergebiete im Göttinger Wald erkunden. Wenn es viele Gerüchte, wenige handfeste Informationen aber einige vielversprechende Fotos gibt – dann macht man sich am besten vor Ort selbst ein Bild. Schnell war noch der schöne Zeltplatz am Seeburger See ausfindig gemacht, denn der Wetterbericht versprach die erste Hitzewelle des Jahres mit über 30° C, da dürfen Strand und Wasser nicht weit sein.

Als wir ankommen, wartet Olaf bereits auf uns. Mit einer Geduld, die nur Grosseltern haben, tigert er mit Jakob über den Zeltplatz, besorgt dies und jenes, darunter Brötchen und Pakete für Jakob. So können wir Eltern in den nächsten Tagen auch allein zum Klettern gehen und die beiden „ihr Ding“ machen lassen. Danke Olaf!

Zunächst nehmen wir den Sektor Mariaspring unter die Finger. Er ist am besten dokumentiert. Unsere Rechnung, dort auf Kletterlocals zu treffen und weitere Infos für die Folgetage einzuholen, geht auf. Kerstin und Stefan schicken uns zur Hauwand, Roten Wand und Appenroder Wand. Dort treffen wir sie auch wieder und tauschen unsere Kontaktdaten aus. In ein paar Tagen wird uns das nützlich sein, denn wir wollen hier nochmals vorbei kommen und brauchen dann Kletterpartner, denn Olaf ist dann nicht mehr dabei.

Kletterhighlights sind die Riesenschuppe Und sie bewegt sich doch (6) und der Hangelhandriss Das Physikum (6+) an der Hauwand, die schöne technische Wand Fragile (7+) in Mariaspring und der abwechslungsreiche Sonnenpfeiler (6) an der Roten Wand. Der Göttinger Wald bietet neben schönen Wandklettereien auch eine Reihe wirklich toller Risse. Zum Teil muss man selbst absichern oder zumindest was Eigenes ergänzen, aber das hatten wir ja kürzlich erst in Ettringen vertieft. In den drei halben Klettertagen widmen wir uns vor allem den einfacheren Klassikern im Gebiet, während Jakob und Olaf die Gegend erkunden und im Freibad am Seeburger See den Sommer zelebrieren. Was die beiden genau angestellt haben, könnt ihr in Olafs Gastbeitrag nachlesen. Allzu schnell ist das verlängerte Wochenende vorbei und wir verabschieden uns von Olaf bei einem gemeinsamen Stadtbummel in Göttingen. Dann wird es schon fast knapp; unser nächster Gast steht an der Autobahnraststätte Göttingen-West zum Abholen bereit.

Ole, ein „alter“ Horzelbube aus Berlin, kann sich ein paar Tage freimachen und wir wollen zusammen im nahen Harz klettern. Vor einigen Jahren waren wir schon einmal zusammen im Ostharz unterwegs – diesmal wollen wir uns das Okertal im Westharz anschauen. Auf die Hitzewelle des Wochenendes folgen einige kalte aber trockene Tage. Wir sind mal wieder fast die einzigen auf dem schönen Zeltplatz an der Okertalsperre und auch noch unter der Woche im sonst ganz gut frequentierten Klettergebiet unterwegs und daher haben wir in den Paradesektoren Schlafender Löwe und Marienwand fast die freie Auswahl. Am Wandfuss fliesst idyllisch die Oker und es gibt einige schöne Stellen, an denen Jakob spielen kann. Leider kommt Anika nicht zum Klettern, da sie sich beim Nüsse Knacken so stark in den Finger schneidet, dass sie ihn lieber im Krankenhaus behandeln lässt.

Im Okertal gibt es Wollsackgranit vom kurzen Boulder bis zum Vier-Seillängen-Grat. Will man sich nicht auf einige wenige Sportkletterneutouren beschränken, dann gehört ein kleines Sortiment Klemmkeile und Friends an den Gurt. Die Routen sind abwechslungsreich, aber immer etwas wackelig, da alles etwas runder ist und richtig positive Griffe selten sind. So kommt es, dass Nicky beim cleanen Ausstieg der Molybdänverschneidung (6) ganz schön ins Schwitzen kommt, auch wenn der schwerere direkte Einstieg (7-) schnell überwunden war. Ein weiteres Highlight ist der knapp 40 Meter lange und ausgesetzte aber einfache Balkon-Pfeiler (5+) an der Marienwand. Leider ist auch dieser Kurzbesuch schon sehr schnell vorüber und wir bringen Ole zum Autobahn-Mitfahrertreff. Wir haben noch knapp eine Woche Zeit, bevor wir mit Nickys Bruder Mirko in der Sächsischen Schweiz verabredet sind. Wir entscheiden uns spontan für einen erneuten Besuch im nahen Ith, wo es doch möglich sein sollte, am Wochenende ein paar Kletterpartner zu finden.

Diesmal kommen wir auf dem selbstverwalteten Zeltplatz der JDAV-Nord unter. Direkt an den Lürdisser Klippen – dem Kletterzentrum im Norden schlechthin. TheCrag.com ist Nickys erste Wahl der Onlineplattformen für das Klettern. In der Region gibt es mit Leo einen sehr aktiven Nutzer und Nicky verabredet sich mit ihm für Sonntag. Die zwei Tage bis dorthin wollen wir etwas entspannen und den Sommer geniessen. Am nahen Bruchsee verspeisen wir frische Erdbeeren mit Vanilleeis am Sandstrand – kein schlechter Start – aber am nächsten Tag wurde es noch besser.

Ein kleiner Spaziergang zum nahe gelegenen Segelflugplatz entpuppte sich als echter Überflieger. Am Anfang der Startbahn stand ein LKW mit grosser Winde, um die Segelflugzeuge beim Start zu beschleunigen. Die beiden Damen, die den Oldtimer bedienten, waren sehr nett und gaben gerne Auskunft über ihr Tun. Wir konnten einen Start beobachten und waren recht beeindruckt. „Sie können auch mitfliegen!“ hiess es dann…. Wir sollen doch mal an das andere Ende des Feldes zur Startzone wandern und schauen ob nicht jemand noch einen Sozius frei hat. Etwas ungläubig machten wir uns auf die Wanderung, aber schon bald bekam Nicky einen Fallschirm angeschnallt und durfte einsteigen. Die Instruktion bestand aus erstaunlich wenigen: „Tu dies nicht!“ und „Fass das nicht an!“ und schon wurde das Cockpit geschlossen und das Flugzeug an die Leine gelegt. In nur 3 Sekunden beschleunigt das Flugzeug auf 100 km/h und zieht sehr bald sehr steil nach oben – wow. Nach einer halben Stunde Sightseeing und Thermikkurbeln über dem Ith landet Nickys Flugzeug elegant und wohlbehalten und Anika erhebt sich in die Lüfte. Unser Pilot ist ein Fluglehrer und lässt uns sogar mal steuern. Ein tolles Erlebnis!

Endlich ist wieder Klettern angesagt, zumindest für Nicky. Leo und seine Frau Lidia holen ihn ab und fahren in die Marienhagener Klippen. Dort wird zwar schon lange geklettert, aber erst in den letzten Jahren wurde viel saniert und nacherschlossen. So kommt es, dass man, für den Ith eher untypisch, weitestgehend auf die Keile verzichten kann. Besonders lohnend waren Opa Kurt (7+) an der Großen Phillipsklippe und die Südwestwand (6-) auf den Hohenstein. Nach dem Klettern gibt es noch ein leckeres Picknick von Lidia – vielen Dank euch beiden für den spontanen Ausflug!

Das Wochenende ist vorbei – der zuvor rappelvolle Ith-Zeltplatz wie leergefegt. Nur ein Berliner Pärchen schlägt für eine Nacht ein Zelt auf und wir fragen, ob wir einen Tag gemeinsam klettern wollen. Das Eis ist schnell gebrochen, denn wie sich herausstellt, haben wir mit Paul einen gemeinsamen Freund und kennen uns gegenseitig, wenn auch nur vom Hörensagen. Wenn es schon mal so schön leer ist, gehen wir natürlich zu den Lüerdisser Klippen und versuchen uns in einigen Klassikern am Krokodil. Danach schicken wir die beiden noch auf die obligatorische Kamelbesteigung mit anschliessender luftiger Abseilfahrt und sehen uns dann zum gemeinsamen Milchreisessen wieder.

Am Folgetag fahren wir wieder zurück in den Göttinger Wald zum After-Work-Klettern mit Kerstin und Stefan. Unseren „Arbeitstag“ verbringen wir am Baggersee und als Selbstpflücker auf dem Erdbeerfeld. An der Appenroder Wand hat es Nicky ein kurzer aber schnurgerader Fingerriss besonders angetan. Leukomania heisst die Route und ist eine solide 7+. Unten warten einige perfekte Fingerklemmer, aber dann wird der Riss ganz leicht breiter und die Finger klemmen eben gerade nicht mehr. Nicky benötigt eine ganze Reihe von Versuchen, bis er es endlich schafft. Mit jedem Versuch wickelt er eine Lage mehr Tape um die Zeigefinger, auf dass sie etwas besseren Halt finden – daher bestimmt auch der Routenname – zählt das eigentlich schon unter Technisches Klettern? Nach einem weiteren schönen Kletterabend mit den beiden machen wir auf nach Sachsen und verlassen das schöne Niedersachsen.